Müller-Hof Newsletter – September 2023

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Gesellschaftsrecht: Das Selbsthilferecht eines Gesellschafters und die Fallstricke

Bei Spannungen im Gesellschafterkreis untereinander oder zwischen Gesellschaftern und der Geschäftsführung kann es notwendig werden, dass Gesellschafter selbst die Einberufung einer Gesellschafterversammlung in die Hand nehmen.

Grundsätzlich ist es die Aufgabe und das Recht der Geschäftsführung, zu einer Gesellschafterversammlung zu laden (§ 49 Abs. 1 GmbHG). Aber auch Gesellschafter können dies: Gesellschafter, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens 10 % des Stammkapitals entsprechen, sind berechtigt, unter Angabe des Zwecks und der Gründe die Berufung der Versammlung zu verlangen. Wird dem Verlangen nicht entsprochen oder sind Personen, an welche das Verlangen zu richten wäre (also eine Geschäftsführung), nicht vorhanden, so können jene Gesellschafter unter Mitteilung der Themen diese Ladung selbst vornehmen (§ 50 GmbHG).

Diese gesetzliche Regelung ist im Sinne des Minderheitenschutzes nicht durch den Gesellschaftsvertrag abdingbar.

Dieses Selbsthilferecht findet aber seine Grenzen, wenn über den betreffenden Tagesordnungspunkt bereits ein Beschluss gefasst wurde, und zwar selbst dann, wenn dieser Beschluss für nichtig gehalten wird. Das entschied das Kammergericht Berlin (Az. 23 U 120/21). In dem zugrunde liegenden Sachverhalt sollte die Geschäftsführung abberufen werden. Diese kam einer entsprechenden Aufforderung der Mehrheitsgesellschafterin zur Ladung nicht nach. Mittels ihres Selbsthilferechts lud die Mehrheitsgesellschafterin daraufhin zur Gesellschafterversammlung ein, allerdings fehlerhaft. Somit war auch der gefasste Abberufungsbeschluss fehlerhaft. Notgedrungen wurde erneut vom Selbsthilferecht Gebrauch gemacht, um den fehlerhaften Abberufungsbeschluss in einer weiteren Gesellschafterversammlung zu bestätigen bzw. vorsorglich zu wiederholen.

Nach dem Urteil des Kammergerichts ist der in der Folgezeit im schriftlichen Beschlussverfahren gefällte (zweite) Abberufungsbeschluss nichtig, da die Beschlussfassung von einem Gesellschafter ohne Befugnis initiiert worden sei (analog §§ 241 Nr. 1, 121 Abs. 2 AktG). Das Selbsthilferecht sei quasi „erledigt“ gewesen. In der von der Gesellschafterin (in einem ersten Schritt) einberufenen Versammlung sei schließlich bereits über die begehrten Tagesordnungspunkte abgestimmt worden. Etwas Abweichendes könne nur dann gelten, wenn eine Umgehung dieses Ladungsrechts einer Minderheit (§ 50 GmbHG) zu befürchten sei.

Die Anforderungen des Kammergerichts an die handelnden Gesellschafter sind demnach hoch: Es liege „in der Sphäre des Minderheitsgesellschafters, sich vor der Einberufung einer Versammlung mit den entsprechenden Vorschriften vertraut zu machen und sich die ausreichenden Unterlagen zu verschaffen, damit eine ordnungsgemäße Versammlung abgehalten werden“ könne.

Daraus folgt für die Praxis: Gesellschafter können in Ausnahmefällen selbst zu Gesellschafterversammlungen laden. Wichtig sind dabei aber die strikte Einhaltung und Dokumentation des Procederes gem. § 50 GmbHG, eine fehlerfreie Ladung sowie eine mangelfreie Beschlussfassung im Übrigen. Einen zweiten Versuch gibt es laut der Gerichtsentscheidung nicht.

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