Müller-Hof Newsletter – März 2023

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Arbeitsrecht: Vorsicht bei Gehaltsdifferenz zwischen Männern und Frauen

Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.02.2023 (Az. 8 AZR 450/21) sorgt für Aufsehen: Eine Frau hat Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen aufgrund des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Daran ändert es nichts, wenn der männliche Kollege mehr Geld fordert und der Arbeitgeber dieser Forderung nachgibt.

 

Der Klägerin als Außendienstmitarbeiterin wurde bei ihrer Einstellung im März 2017 ein Gehalt von EUR 3.500,00 angeboten, womit sie einverstanden war. Im August 2018 kam es durch einen Haustarifvertrag zu einem neuen Eingruppierungssystem. Dieses sah ein Grundentgelt von EUR 4.140,00 vor. Nach der tariflichen Regelung sollte eine Steigerung gegenüber dem bisherigen tariflichen Entgelt aber nur schrittweise mit einer jährlichen Steigerung des Monatsgehalts um jeweils EUR 120,00 erfolgen („Deckelung“). Deshalb erhielt die Klägerin ab August 2018 zunächst nur EUR 3.620,00.

 

Fast zeitgleich wie die Klägerin wurde auch ein männlicher Außendienstkollege eingestellt. Auch ihm wurde ein Einstiegsgehalt von EUR 3.500,00 angeboten, was er jedoch ablehnte. Er forderte stattdessen zunächst EUR 4.500,00, bis im Oktober 2017 noch eine leistungsabhängige Vergütung dazukommen sollte, und bekam dies auch. Im Oktober 2017 wurde sein Grundentgelt wie vorgesehen auf EUR 3.500,00 reduziert, weil noch eine variable Vergütung hinzukam. Zum Juli 2018 erfolgte eine Erhöhung des Grundgehalts auf EUR 4.000,00 mit der Begründung, der Arbeitnehmer sei Nachfolger einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin. Als das neue Eingruppierungssystem zum August 2018 in Kraft trat und auch für ihn EUR 4.140,00 vorsah, erhielt der Arbeitnehmer zunächst aufgrund der jährlichen Steigerungsdeckelung ein Monatsgehalt von EUR 4.120,00.

 

Mit ihrer Klage forderte die Klägerin eine Nachzahlung der Gehaltsdifferenz von insgesamt EUR 14.500,00 und verwies darauf, dass sie die gleiche Arbeit wie ihr männlicher Kollege machte. Aufgrund einer Benachteiligung wegen des Geschlechts forderte sie zudem eine Entschädigung von EUR 6.000,00.

 

Anders als die Vorinstanzen hat das Bundesarbeitsgericht ihr den Nachzahlungsbetrag zugesprochen. Weil sie bei gleicher Arbeit ein niedrigeres Grundgehalt hatte als ihr männlicher Kollege, habe sie einen Anspruch auf das gleiche Grundgehalt wie er. Dies ergebe sich aus den Regelungen im Entgelttransparenzgesetz (§ 3 und § 7). Ab August 2018 sei ohnehin das neue Eingruppierungssystem maßgeblich, und zwar ungekürzt mit EUR 4.140,00, denn die Deckelung des Steigerungsbetrages gelte nur für vorheriges tarifliches Entgelt, aber nicht für einzelvertraglich vereinbartes Entgelt.

 

Außerdem wurde der Klägerin auch eine Entschädigung wegen Geschlechtsdiskriminierung nach dem AGG zugesprochen. Die Gehaltsdifferenz zum männlichen Kollegen bei gleicher Arbeit ließe eine geschlechtsbezogene Benachteiligung vermuten. Der Arbeitgeber habe das nicht widerlegen können. Das BAG ließ nicht das Argument gelten, dass der Gehaltsunterschied auf dem größeren Verhandlungsgeschick des Mannes beruht habe. Auch die Begründung, der Arbeitnehmer sei einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt, hatte keinen Erfolg. Allerdings wurden nur EUR 2.000,00 als angemessene Entschädigung angesehen und nicht die geforderten EUR 6.000,00.

 

Diese Entscheidung zeigt, dass das seit 2017 geltende Entgelttransparenz durchaus praktische Auswirkungen hat, um gemäß dem Gesetzeszweck gleiches Entgelt für Frauen und Männer bei gleicher Arbeit durchzusetzen. Eventuell bestehende Gehaltsvorteile männlicher Arbeitnehmer müssen deshalb beseitigt oder aber überzeugend begründet werden können, z.B. durch Unterschiede in der Qualifikation und Verantwortung.

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