Müller-Hof Newsletter – März 2020

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Arbeitsrecht: Immer Entgeltfortzahlung bei neuer Krankheit?

Nicht selten sind Arbeitnehmer krankgeschrieben und erhalten direkt im Anschluss an einen Krankheitszeitraum eine neue Krankschreibung, die als „Erstbescheinigung“ wegen neuer Krankheit bezeichnet ist. Öfters endet auch eine Krankschreibung am Freitag, und am Montag folgt eine „Erstbescheinigung“ mit neuer Krankheit. Für Arbeitgeber stellt sich dabei die Frage, wann die sechswöchige Entgeltfortzahlung endet und ob die Zahlungspflicht bei der zweiten „Erstbescheinigung“ wieder von neuem beginnt.

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 11.12.2019, 5 AZR 505/18) hatte kürzlich über einen solchen Fall zu entscheiden: Die Arbeitnehmerin war ab Februar 2017 gut drei Monate wegen eines psychischen Leidens arbeitsunfähig. In dieser Zeit leistete der Arbeitgeber sechs Wochen Entgeltfortzahlung, danach bezog die Arbeitnehmerin Krankengeld. Am Tag nach Ende der letzten Krankschreibung im Mai 2017 erfolgte eine schon länger geplante Operation wegen eines gynäkologischen Leidens, weshalb die Frauenärztin eine „Erstbescheinigung“ ausstellte und insgesamt über sechs Wochen krankschrieb. Danach nahm die Arbeitnehmerin Urlaub und begann eine Psychotherapie. Weder der Arbeitgeber noch die Krankenkasse leisteten für die neue Arbeitsunfähigkeit ab Mai 2017 Zahlungen.

Die Klage gegen den Arbeitgeber war erfolglos. Das BAG hat seine neuere Rechtsprechung zur „Einheit des Verhinderungsfalls“ bestätigt. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist auch dann auf die Dauer von sechs Wochen beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue andersartige Krankheit auftritt. Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur dann, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits beendet war, als die weitere Erkrankung eintrat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich gearbeitet hat oder jedenfalls arbeitsfähig war, sei es auch nur für wenige außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden. Im Streitfall hat der Arbeitnehmer zu beweisen, dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der weiteren Arbeitsverhinderung nicht mehr bestand und es somit keine Überschneidung gab. Hier war der klagenden Arbeitnehmerin dieser Nachweis nicht gelungen.

Arbeitgebern ist folglich zu raten, „Erstbescheinigungen“ zu hinterfragen, die im unmittelbaren Anschluss an attestierte Arbeitsunfähigkeit vorgelegt werden, wenn bereits sechs Wochen Entgeltfortzahlung geleistet wurde. Sie bedeuten nicht zwangsläufig, dass die sechswöchige Entgeltfortzahlung nun wieder von vorne beginnt. Im Zweifel kann die Entgeltfortzahlung abgelehnt werden, bis der Arbeitnehmer nachweist, dass die vorherige Erkrankung tatsächlich vollständig ausgeheilt war, als die neue Erkrankung auftrat.

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