Müller-Hof Newsletter – Juni 2023

art – AktuelleRechtsTipps

Arbeitsrecht: Gesetzentwurf zur Arbeitszeiterfassung

Höchstzulässige Arbeitszeiten, Pausen- und Ruhezeiten sind einzuhalten. Bisher bestand aber nur eine allgemeine Pflicht zur Aufzeichnung der über acht Stunden hinausgehenden Arbeitszeit. Eine weitergehende Pflicht zur Erfassung der gesamten Arbeitszeit besteht hingegen schon lange bei geringfügig Beschäftigten und in bestimmten Branchen (z.B. Baugewerbe, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, Logistikgewerbe, Gebäudereinigungsgewerbe, Wach- und Sicherheitsgewerbe).

Mit seinem Urteil vom 14.05.2019 (Az. C-55/18) führte der EuGH überraschend aus, dass Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Arbeitszeiterfassung bereitstellen müssen. Nach überwiegender Auffassung war dies nur als Aufforderung an den Gesetzgeber zu verstehen, eine solche Pflicht einzuführen. Eine weitere Überraschung war das umstrittene BAG-Urteil vom 13.09.2022 (Az. 1 ABR 22/21), dass sich eine allgemeine Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung bereits aus den ganz allgemeinen Klauseln des Arbeitsschutzgesetz ergebe, wonach die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen sind und für eine geeignete Organisation und die erforderlichen Mittel zu sorgen ist.

Auch wenn nach Ansicht des BAG schon jetzt eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bestehen soll, kann im Falle eines Verstoßes hiergegen jedenfalls mangels klarer gesetzlicher Regelung derzeit kein Bußgeld verhängt werden.

Inzwischen hat das Bundesarbeitsministerium reagiert und am 18.04.2023 einen ersten Referentenentwurf vorgelegt. Demnach sollen Arbeitgeber Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzeichnen. Die Aufzeichnung kann auch durch den Arbeitnehmer oder einen Dritten erfolgen, der Arbeitgeber bleibt aber für die ordnungsgemäße Aufzeichnung verantwortlich. Bei Vertrauensarbeitszeit mit Verzicht auf eine Kontrolle der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass dem Arbeitgeber Arbeitszeitverstöße bekannt werden. Nur durch Tarifverträge oder darauf beruhende Betriebsvereinbarungen sind einzelne Abweichungen möglich hinsichtlich der elektronischen Form, der tagesgenauen Aufzeichnung und besonderer Personengruppen.

Bezüglich der vorgeschriebenen elektronischen Form gibt es jedoch eine Übergangsregelung. Noch bis zu einem Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes genügt eine nichtelektronische Aufzeichnung (z.B. handschriftlich), bei weniger als 250 Mitarbeitern sogar zwei Jahre und bei weniger als 50 Mitarbeitern fünf Jahre. Arbeitgeber mit bis zu zehn Arbeitnehmern müssen dauerhaft nicht elektronisch aufzeichnen.

Der Entwurf ist bereits auf umfangreiche Kritik gestoßen und beinhaltet keinen Ansatz für Flexibilisierung oder Reform des starren Arbeitszeitrechts. Die Diskussion dieses ersten Entwurfs und das weitere Gesetzgebungsverfahren bleiben abzuwarten.

Für die Praxis empfiehlt sich schon jetzt, geeignete Möglichkeiten der Zeiterfassung zu prüfen und vorzubereiten, auch wenn jetzt noch kein zwingender sofortiger Handlungsbedarf besteht. Auch sollten Maßnahmen gegen eventuelle unzulässige Arbeitszeiten ergriffen werden. Da durch die umfassende Aufzeichnung mit zunehmenden Forderungen nach Überstundenvergütung zu rechnen ist, sollte auch geprüft werden, ob eine Anpassung der vertraglichen Vergütungsregelungen nötig ist.

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