Müller-Hof Newsletter – September 2024
art – AktuelleRechtsTipps
Wettbewerbsrecht: „Klimaneutral“ – tatsächlich???
Das Thema Umweltfreundlichkeit von Produkten, Herstellungsprozessen oder Unternehmen im Allgemeinen spielt in der Werbung derzeit eine relativ große Rolle. Häufig werden dabei unscharfe Begriffe wie „klimaneutral“ verwendet. Inzwischen hat der Bundesgerichtshof für derartige Werbung und insbesondere diesen Begriff hohe Anforderungen aufgestellt, weil der Begriff tendenziell irreführend sei.
Bei einem laut Hersteller „klimaneutralen“ Fruchtgummi hat der BGH im Urteil vom 27.06.2024 (Az.: I ZR 98/23) gerügt, dass die Hintergründe für die Erreichung der beworbenen „Klimaneutralität“ in der Anzeige selbst nicht ausreichend erläutert würden. Im konkreten Fall wurde die beworbene „Klimaneutralität“ nur durch zusätzliche Kompensationsmaßnahmen erreicht, nämlich konkret durch den Kauf von CO2-Zertifikaten) erreicht. Diese weitergehenden Informationen wurden in der Anzeige nicht übermittelt, es wurde aber auf eine Webseite dazu mittels QR-Code und Angabe einer URL verwiesen.
Während die beiden Vorinstanzen aufgrund des Verweises auf die weiterführenden Informationen keine Irreführung gesehen hatten, entschied der BGH abweichend. Die Gefahr einer Irreführung sei bei umweltbezogener Werbung besonders groß. Ähnliche Argumentationen gibt es auch bei gesundheitsbezogener Werbung, wobei dort auch diverse gesetzliche Sonderregeln bestehen. Daher bestehe ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis. Lediglich eine Kompensation von CO2-Emissionen sei keine gleichwertige Maßnahme im Vergleich zu einer entsprechenden Reduktion der Emissionen. Es reiche daher nicht aus, auf eine Internetseite zu verweisen. Solche Informationen müssten bei einem unscharfen Begriff wie „klimaneutral“ auch in der Anzeige erscheinen.
Wie das in der Praxis ganz genau aussehen muss, wird eine Einzelfallfrage bleiben. Trotzdem lässt die Entscheidung auch in der Begründung deutlich erkennen, dass der BGH hier eine strenge Linie fährt. Vor dem Hintergrund, dass sich auch die EU für eine Begrenzung von Werbung einsetzt, die als „Greenwashing“ angesehen werden kann, ist im Übrigen absehbar, dass es bei der strengen Linie des BGH bei Werbung mit der angeblichen Umweltfreundlichkeit von Produkten bleiben wird. Auch bei anderen in diese Richtung gehenden, aus sich heraus nicht eindeutigen Begriffen ist im Hinblick auf diese Rechtsprechung Vorsicht geboten.
Insbesondere der Hinweis auf eine Webseite, der ansonsten in vielen Fällen zur Ausräumung der Irreführungsgefahr als ausreichend angesehen wurde und wird (so hier ja auch die beiden Vorinstanzen), wird bei umweltbezogenen Werbeaussagen im Zweifel nicht (mehr) ausreichend sein.