Müller-Hof Newsletter – Juni 2025
art – AktuelleRechtsTipps
Werkvertragsrecht: Optische Mängel – Alles nur heiße Luft?
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Mängel die Funktionstauglichkeit gar nicht beeinträchtigen, sich aber in der Optik auswirken. So zum Beispiel die Lieferung und der Einbau von zerkratzen Fenstern oder einer verbeulten Heizungsanlage. Auch die zerkratzen Fenster lassen sich öffnen und schließen. Die zerbeulte Heizung wärmt. Aus Sicht des Auftraggebers sieht es jedoch unschön aus und ist vor allem ärgerlich.
Der erste Streitpunkt ist die Abnahme. Auftraggeber möchten die Abnahme wegen der optischen Mängel gern verweigern. Die Abnahme kann aber nur wegen wesentlicher Mängel verweigert werden (§ 640 Abs. 1 Satz 2 BGB). Optische Mängel zählen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen zu den unwesentlichen Mängeln, so dass der Auftraggeber die Abnahme nicht deshalb verweigern darf.
Viele Unternehmer wünschen sich bei optischen Mängeln generell, dass sie mit einem möglichst kleinen Abzug von der Schlussrechnung abgegolten werden. Dieser Wunsch geht aber selten auf. Denn grundsätzlich stellen auch optische Mängel einen Mangel dar (§ 633 BGB). Der Auftraggeber hat einen Anspruch auf dessen Beseitigung. Der Unternehmer kann die Mangelbeseitigung auch bei optischen Mängeln nur verweigern, wenn deren Beseitigung unverhältnismäßige Kosten nach sich ziehen würde (§ 635 Abs. 3 BGB). Hierbei handelt es sich um eine Abwägung im Einzelfall. Je höher das Leistungsinteresse an einem makellosen Erscheinungsbild der Leistung, umso weniger kann der Unternehmer mit seinem Einwand der Unverhältnismäßigkeit gehört werden. Das Leistungsinteresse wird z.B. bei einer Küche im Wert von 100.000,00 € anders zu bewerten sein als bei einer Küche für 10.000,00 €.
Des Weiteren muss berücksichtigt werden, ob der Unternehmer den optischen Mangel grob fahrlässig herbeigeführt hat. Das wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn der Unternehmer die zerkratzen Scheiben des Fensters erkennt, das Fenster aber dennoch einbaut. In einem solchen Fall kann sich der Unternehmer nicht mehr auf die Unverhältnismäßigkeit berufen.
Wenn der Unternehmer erfolgreich die unverhältnismäßig hohen Kosten für die Mangelbeseitigung geltend machen kann, ist der Minderwert der Leistung zu ermitteln und von der Schlussrechnung in Abzug zu bringen. Wie ermittelt sich der Minderwert, wenn die Nachbesserung verweigert werden kann? Auch hier kommt es auf den Einzelfall an, der eher auf den Bagatellcharakter zulaufen kann oder eben auch deutlichere Mängel abdecken muss. Jedenfalls sollte der Minderwert immer unterhalb der Nachbesserungskosten liegen, denn sonst kann man — außer bei wirklicher Unmöglichkeit — lieber die Nachbesserung wählen.