Müller-Hof Newsletter – Juni 2025
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Erbrecht: Durchgepauste Unterschrift zur Testamentsfälschung
Das OLG Brandenburg (Beschluss vom 12.12.2024, Az. 3 W 64/24) hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem der Enkel eines Verstorbenen ein angeblich vom Verstorbenen eigenhändig verfasstes und unterschriebenes Testament vorlegte, welches den Enkel als Alleinerben auswies. Die Unterschrift unter dem Testament gab allerdings Anlass zu Zweifeln.
Die Töchter des Erblassers hatten einen Erbschein zu je 1/2 aufgrund gesetzlicher Erbfolge beantragt und auch erhalten. Danach legte der Sohn einer der beiden Töchter, also der Enkel des Erblassers, ein Testament vor. Dieses bestand nur aus den persönlichen Angaben des Erblassers, einem Satz (nämlich der Einsetzung des Enkels als Alleinerben) und seiner Unterschrift. Aufgrund dieses Testaments beantragte er die Einziehung des Erbscheins, den seine Mutter und Tante erhalten hatten. Der Erbschein der Mutter und Tante wurde eingezogen, allerdings gab es Schwierigkeiten bei der Erteilung eines neuen Erbscheins zugunsten des Enkels: Die Unterschrift unter dem von ihm vorgelegten Testament ähnelte in auffälliger Weise der Unterschrift auf der Kontovollmacht, die der Erblasser dem Enkel erteilt hatte. Außerdem wurde gleich dreimal der Vorname des Erblassers falsch geschrieben.
Nach persönlicher Anhörung der Beteiligten und der Einholung des Gutachtens eines Schriftsachverständigen ergab sich, dass es sich bei der Unterschrift auf dem Testament um eine direkte Pauschfälschung handelte. Die Deckungsgleichheit zwischen der Unterschrift des Erblassers auf dem Testament und derjenigen auf der Kontovollmacht war überproportional, so dass der Sachverständige einen Wahrscheinlichkeitsgrad von 95 % für eine Fälschung feststellte. Die physikalisch-technische Untersuchung ergab auch, dass in der Schrift des kurzen Testamentstextes und in der Unterschrift „Unsicherheiten, Verbiegungen und Unterbrechungen in der Schriftführung und im Bewegungsfluss“ vorlägen, wobei die „Unterbrechungen durch Anflickungen kaschiert“ worden seien.
Der Enkel bot Zeugen an, welche vom Hören-Sagen den entsprechenden Willen des Erblassers zur Alleinerben-Einsetzung des Enkels bestätigen sollten. Dem ging das Gericht aber nicht nach, da die benannten Zeugen keine Angaben zur wirksamen Testamentserstellung hätten machen können. Zudem gebe es laut dem Gericht keinen Erfahrungssatz dahingehend, dass Erblasser immer wahrheitsgemäß kundtun, ob und mit welchem Inhalt sie eine letztwillige Verfügung errichtet haben.
Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass das vorgelegte Testament unwirksam sei, da der Enkel nicht nachweisen konnte, dass es vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben worden sei.
Dieses Urteil zeigt, wie sinnvoll die manchmal „unmodern“ wirkenden Formvorschriften des Gesetzgebers zur Testamentserrichtung sind. Neben den höchst seltenen Ausnahmen für „Nottestamente“ muss ein Testament entweder persönlich handschriftlich niedergeschrieben und unterschrieben werden oder in einem Notariat beurkundet werden.
Wäre es dagegen möglich, Testamente rechtwirksam am Computer zu schreiben, auszudrucken und lediglich zu unterschreiben, würde dies die Fälschungsmöglichkeiten um ein Vielfaches erhöhen. Die Fälschung lediglich einer Unterschrift ist wesentlich leichter als die überzeugende Nachahmung der Handschrift in einem kompletten Testamentstext.
Je nach Lesbarkeit der eigenen Handschrift kann es allerdings ratsam sein, dass man dem handgeschriebenen Testament eine ausgedruckte „Lesefassung“ beilegt. Wichtig ist dabei natürlich, dass diese tatsächlich inhaltsgleich mit der handgeschriebenen Fassung ist.