Müller-Hof Newsletter – Juni 2025

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Arbeitsrecht: Verlängerung der Probezeit möglich?

Sofern der Arbeitgeber mehr als zehn Beschäftigte hat, greift das Kündigungsschutzgesetz nach sechsmonatigem Bestand des Arbeitsverhältnisses ein. Dies lässt sich nicht vertraglich nach hinten verschieben, um einen Arbeitnehmer noch länger erproben zu können.

Das Landesarbeitsgericht Hessen hat mit Urteil vom 29.10.2024 (Az. 8 Sa 1057/23) über eine Probezeitkündigung mit verlängerter Frist entschieden. Die Arbeitnehmerin wurde zum 01.01.2023 als Abteilungsleiterin bei einer Stadt eingestellt. Am Ende des fünfmonatigen Einarbeitungsplans wurde ihr mitgeteilt, dass sie den Führungsaufgaben nicht gerecht würde und man ihr zum Ende der sechsmonatigen Probezeit kündigen wolle. Als Reaktion legte die Arbeitnehmerin einen „Maßnahmenplan zur Konfliktlösung und Manifestation einer guten Zusammenarbeit“ vor. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber am 02.06.2023 nicht fristgerecht zum 30.06.2023, sondern mit verlängerter Frist zum 31.12.2023 – mit der Option, bei Verbesserung der Situation anschließend einen neuen unbefristeten Arbeitsvertrag zu schließen. Die Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage, weil sie hierin einen Rechtsmissbrauch wegen Vereitelung des allgemeinen Kündigungsschutzes sah und die Kündigung wegen erheblicher Überschreitung der Mindestkündigungsfrist treuwidrig sei.

Nach der Rechtsprechung kann tatsächlich eine treuwidrige Vereitelung des Kündigungsschutzes vorliegen, wenn sich der Arbeitgeber (zumindest vorerst) eigentlich gar nicht von einem Arbeitnehmer trennen will, sondern lediglich den Eintritt des Kündigungsschutzes verhindern will und mit einer sehr langen Kündigungsfrist kündigt. Sieht allerdings der Arbeitgeber die sechsmonatige Probezeit als nicht bestanden an, so kann er dem Arbeitnehmer eine Bewährungschance geben, indem er mit einer überschaubaren längeren Kündigungsfrist kündigt und dem Arbeitnehmer für den Fall seiner Bewährung die Wiedereinstellung in Aussicht stellt.

Im vorliegenden Fall sah das LAG in der Verlängerung der Kündigungsfrist auf sechs Monate kein rechtsmissbräuchliches Verhalten, da Hintergrund der vorgelegte Maßnahmenplan und eine damit verbundene Bewährungschance waren. Die sechs Monate waren jedenfalls nicht länger als die längste gesetzliche oder tarifvertragliche Kündigungsfrist. Deshalb bestätigte das LAG die Wirksamkeit der Kündigung.

Eine solche Gestaltung ist die einzige Möglichkeit zur „Verlängerung der Probezeit“ über sechs Monate hinaus. Sie wurde nun in einem weiteren Gerichtsurteil anerkannt. Die bislang einzige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hierzu betraf allerdings nur drei bis vier Monate, weshalb jedenfalls im Normalfall eine solche Zeitspanne nicht überschritten werden sollte. Auch sollte keine verbindliche Wiedereinstellungszusage für den Fall einer Verbesserung erfolgen.

Die Praxiserfahrung zeigt allerdings, dass nur selten die Bewährungschance genutzt wird und kaum einmal eine dauerhafte Verbesserung eintritt. Deshalb ist abzuwägen, ob dieser Weg tatsächlich einer „normalen“ Probezeitkündigung vorgezogen wird.

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