Müller-Hof Newsletter – September 2025

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Arbeitsrecht: AGG-Risiko bei Ablehnung schwerbehinderter Bewerber

Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist die Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität unzulässig. Verstöße hiergegen können vor allem Entschädigungsansprüche auslösen. Erfasst sind nicht nur Mitarbeitende im laufenden Arbeitsverhältnis, sondern auch – und vor allem – Bewerberinnen und Bewerber.

Wer einen Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung geltend macht, muss nur Anhaltspunkte nachweisen, die eine unzulässige Benachteiligung vermuten lassen. Dann muss im nächsten Schritt der Arbeitgeber beweisen, dass keine unzulässige Diskriminierung vorlag.

Besonders kritisch sind dabei formelle Verstöße, insbesondere gegen Vorgaben zum Schutz von Schwerbehinderten und Gleichgestellten. Arbeitgeber haben zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten besetzt werden können, insbesondere mit solchen, die bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet sind (§ 164 Abs. 1 SGB IX). Die Arbeitgeber haben frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufzunehmen, von dort soll der Arbeitgeber dann geeignete Vorschläge erhalten.

In einem aktuellen Fall hat das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 27.03.2025 – 8 AZR 123/24) klargestellt, dass für eine ordnungsgemäße Kontaktaufnahme zur Agentur für Arbeit nicht nur das bloße Einstellen eines Stellenangebots auf deren Vermittlungsportal (Jobbörse) genügt. Vielmehr ist die Erteilung eines Vermittlungsauftrags erforderlich. Ist dies unterblieben, besteht die Vermutung, dass ein abgelehnter schwerbehinderter Bewerber wegen der Schwerbehinderung benachteiligt wurde.

Dann liegt es an dem Arbeitgeber, zur Entlastung Tatsachen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere Gründe als die Schwerbehinderung zur Ablehnung geführt haben. Das ist in der Praxis meist schwierig.

In dem BAG-Fall hatte sich der abgelehnte Schwerbehinderte am 24.08.2021 um 12:30 Uhr in elektronischer Form auf die im Internet ausgeschriebene Stelle beworben. Weil er eine Absage erhielt und der Arbeitgeber der Agentur für Arbeit keinen Vermittlungsauftrag erteilt hatte, forderte er eine Entschädigung von 1,5 Monatsgehältern, entsprechend EUR 8.752,50.

Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass der entscheidungsberechtigte Divisionsleiter am Tag der Bewerbung bereits kurz zuvor um 11:09 Uhr die Einstellung eines anderen Bewerbers genehmigt hatte und diesem um 15:39 Uhr der Entwurf eines Arbeitsvertrags zugeleitet wurde. Dieser Kandidat erklärte sich durch E-Mail vom 26.08.2021 mit dem Vertragsinhalt einverstanden, der beiderseitig unterschriebene Arbeitsvertrag ging am 03.09.2021 zu. Das BAG folgte der Argumentation, dass damit das Auswahlverfahren bereits abgeschlossen war, als die Bewerbung des klagenden Schwerbehinderten einging. Dadurch konnte der weitere Bewerber bei der Auswahlentscheidung nicht mehr wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt werden. Dabei hielt das BAG auch für unschädlich, dass die Online-Stellenanzeige noch bis zum Eingang des unterschriebenen Arbeitsvertrages bestehen blieb, aber eingehende Bewerbungen nicht mehr ausgewertet wurden.

Insofern hatte der Arbeitgeber in diesem Fall Glück. Grundsätzlich ist aber die Erteilung eines Vermittlungsauftrags an die Agentur für Arbeit zu empfehlen, auch um damit kein Indiz für eine Benachteiligung gegenüber Schwerbehinderten oder Gleichgestellten zu schaffen.

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