Müller-Hof Newsletter – September 2025

art – AktuelleRechtsTipps

Arbeitsrecht: Kein Verzicht auf Urlaub möglich?

Der Urlaub ist für Arbeitnehmer ein „hohes Gut“. Von den gesetzlichen Bestimmungen darf nicht durch Vereinbarungen zum Nachteil der Arbeitnehmer abgewichen werden.

Zur Gestaltungsoptimierung wird in der Praxis regelmäßig zu dem Mittel eines „Tatsachenvergleichs“ gegriffen und in Aufhebungsverträgen oder auch bei Kündigungsschutzklagen in gerichtlichen Vergleichen vereinbart: „Der Urlaub wurde vollständig in natura gewährt.“ Zur Kompensation des eigentlich noch bestehenden Resturlaubs wird dann meist der Abfindungsbetrag erhöht – mit dem Vorteil, dass von der Abfindung keine Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen sind.

In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 03.06.2025 – 9 AZR 104/24) klargestellt, dass solche Vereinbarungen unwirksam sind, soweit dadurch auf gesetzlichen Mindesturlaub verzichtet würde. Die Parteien stritten über die Abgeltung von sieben Tagen gesetzlichem Mindesturlaub aus dem Jahr 2023. Der Arbeitnehmer war bis zum 30.04.2023 beschäftigt. Im Jahr 2023 war er von Beginn an bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durchgehend krank und konnte deshalb in diesem Jahr keinen Urlaub nehmen. In einem gerichtlichen Vergleich vom 31.03.2023 einigten sich die Parteien auf ein „Gesamtpaket“, wonach das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung von EUR 10.000,00 fristgerecht zum 30.04.2023 enden werde und „Urlaubsansprüche in natura gewährt“ seien. In der Korrespondenz hatte der Arbeitnehmeranwalt ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auf den gesetzlichen Mindesturlaub nicht wirksam verzichtet werden könne, sich aber dann doch mit dem Vergleich einverstanden erklärt. Mit einer neuen Klage forderte der Arbeitnehmer später Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs von sieben Tagen. Dieses weitere Verfahren ging bis zum BAG.

Das BAG machte deutlich, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch und auch ein erst später entstehender Abgeltungsanspruch nicht im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden dürfen. Demzufolge sind solche Vereinbarungen unwirksam. Im bestehenden Arbeitsverhältnis darf der Arbeitnehmer nicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub „verzichten“. Das Mittel eines „Tatsachenvergleichs“ würde streitige Ansprüche und ein gegenseitiges Nachgeben voraussetzen. Hier war jedoch klar, dass aufgrund der durchgehenden Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2023 keine Unsicherheit über die eindeutigen Urlaubsansprüche bestand.

Zwar berief sich der Arbeitgeber noch darauf, dass dem Arbeitnehmer aufgrund der erhöhten Abfindung nach dem Grundsatz von „Treu und Glauben“ verwehrt sei, sich auf die Unwirksamkeit des Urlaubsverzichts zu berufen. Nach Meinung des BAG durfte der Arbeitgeber aber nicht auf den Bestand einer offensichtlich rechtswidrigen Regelung vertrauen. Letztlich musste der Arbeitgeber doppelt zahlen.

Durch Vertragsbeendigung verwandelt sich allerdings der rechtlich geschützte Urlaubsanspruch in einen bloßen Zahlungsanspruch, gerichtet auf Urlaubsabgeltung. Schon früher hat das BAG (Urteil vom 14.05.2013 – 9 AZR 844/11) entschieden, dass für einen reinen Geldanspruch keine Besonderheiten bestehen und auf ihn auch wirksam verzichtet werden kann. Deshalb gilt, dass nach dem vorgesehenen Endtermin eine solche Vereinbarung über die erfolgte Urlaubsgewährung als Bestandteil einer Gesamteinigung weiterhin möglich ist. Der Abfindungsvergleich muss sich auf ein bereits beendetes Arbeitsverhältnis beziehen, dann kann auch durch eine Abfindung der Urlaubsabgeltungsanspruch miterledigt werden.

Deshalb ist eine Unterscheidung nach dem Zeitpunkt der Verzichtsvereinbarung bzw. des Tatsachenvergleichs wichtig: Derartiges ist weiterhin wirksam und zulässig, wenn bei Abschluss der Vereinbarung das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist und somit nicht auf Urlaub, sondern nur auf dessen finanzielle Abgeltung verzichtet wird. Während der Kündigungsfrist sind hingegen derartige Vereinbarungen unwirksam und sehr riskant, wie der aktuelle BAG-Fall zeigt.

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