Müller-Hof Newsletter – März 2017
ars – aktuelles aus Recht und Steuern
Neue Rechtsprechung zu Insolvenzanfechtungen
In der Praxis der Insolvenzanfechtung kommt es regelmäßig vor, dass der Insolvenzverwalter eine frühere Zahlung des inzwischen insolventen Schuldners an seinen Gläubiger im Nachhinein anficht und Rückzahlung verlangt. Begründet wird dies pauschal mit Kenntnis des Gläubigers von der bestehenden Zahlungsunfähigkeit aufgrund eingetretenen Zahlungsverzuges des Insolvenzschuldners oder einer getroffenen Ratenzahlungsvereinbarung. Diese sehr harte Linie zu Lasten der Gläubiger hat jahrelang die Entscheidungen der Gerichte bestimmt und war mit dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden schwer vereinbar. Dieser Praxis scheint der BGH mit einer gläubigerfreundlichen Entscheidung ein plötzliches und überraschendes Ende zu setzen.
In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall (Urteil vom 14.07.2016, Az. IX ZR 188/15) belieferte der Gläubiger den im Bereich des Dachdeckerhandwerks tätigen späteren Insolvenzschuldner mit Baumaterialien. Im Hinblick auf erhebliche eingetretene Forderungsrückstände teilte die Dachdeckerfirma dem Gläubiger mit, dass sie die offenstehende Forderung nicht sofort und nicht in einem Zuge zahlen könne. Auf wiederholte Mahnungen des Gläubigers entrichtete die Dachdeckerfirma Teilbeträge, die Gesamtforderung konnte sie jedoch nicht begleichen. Später meldete sie dann Insolvenz an. Der vom Gericht beauftragte Insolvenzverwalter nahm den Gläubiger auf Erstattung der gezahlten Teilbeträge in Anspruch – und dies ohne Erfolg!
Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Erklärung des Schuldners, er könne die offene Forderung nicht sofort und nicht in einem Zuge bezahlen, nicht zwingend auf eine Zahlungseinstellung schließen lasse. Die Erklärung deute zwar auf einen Liquiditätsengpass hin, bedeute aber nicht, dass Insolvenzreife vorliege und die Zahlungsschwierigkeiten unüberwindbar seien.
Erforderlich für die Insolvenzanfechtung wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit ist nach Ansicht des BGH das Hinzutreten weiterer Indizien, die ebenfalls für eine Zahlungsunfähigkeit sprechen. Allein die Äußerung des Schuldners, die fällige Forderung nicht vollständig oder pünktlich bezahlen zu können, reicht demnach für die erfolgreiche Anfechtung des Insolvenzverwalters nicht aus.
Die Entscheidung ist von grundlegender Bedeutung für die Praxis. Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung bleibt abzuwarten.