Müller-Hof Newsletter – Juni 2017
ars – aktuelles aus Recht und Steuern
Insolvenzrecht: Risiko der Insolvenzanfechtung wird geringer
Am 05.04.2017 ist das Gesetz zur Reform der Insolvenzanfechtung in Kraft getreten. Es soll gewährleisten, dass der Wirtschaftsverkehr nicht mehr mit unverhältnismäßigen und unkalkulierbaren Risiken der Insolvenzanfechtung belastet wird. Die Praxis der letzten Jahre führte zu überraschenden Rückzahlungsverpflichtungen, insbesondere wenn ein Gläubiger einem Schuldner Zahlungserleichterungen (z. B. eine Ratenzahlung oder eine Stundung) gewährt hat. Durch die Gesetzesänderung wird den Insolvenzverwaltern die Insolvenzanfechtung erschwert.
Bei sogenannten „kongruenten Deckungshandlungen“ erhält der Gläubiger das, was ihm zusteht, z. B. Zahlungen für erbrachte Lieferungen und Leistungen. Hat der Gläubiger dabei Zahlungserleichterungen gewährt, wird zukünftig (widerlegbar) vermutet, dass der Gläubiger von einer etwaigen Zahlungsunfähigkeit keine Kenntnis hatte. Zukünftig muss der Insolvenzverwalter den Beweis führen, dass der Gläubiger bei Entgegennahme der Zahlungen die Zahlungsunfähigkeit kannte. Es genügt auch nicht mehr die Kenntnis des Gläubigers von einer „drohenden“ Zahlungsunfähigkeit, sondern sie muss sich auf eine bereits „eingetretene“ Zahlungsunfähigkeit des Schuldners beziehen. Auch wurde der Anfechtungszeitraum von zehn auf vier Jahre verkürzt.
Sogenannte „Bargeschäfte“, bei der Leistung und Zahlung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, sind grundsätzlich nicht mehr anfechtbar. Eine Ausnahme gilt dann, wenn der Insolvenzverwalter beweisen kann, dass der Schuldner „unlauter“ gehandelt hat. Ein unlauteres Handeln liegt z.B. vor bei Ausgaben für flüchtige Luxusgüter oder beim Abstoßen von Betriebsvermögen, das zur Aufrechterhaltung des Betriebs unverzichtbar ist, wenn der Schuldner den vereinnahmten Gegenwert seinen Insolvenzgläubigern entziehen will.
Das Bargeschäftsprivileg gilt auch für verspätet ausgezahltes Arbeitsentgelt, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts drei Monate nicht übersteigt.
Forderungen aus Insolvenzanfechtung sind bei Zahlungsverzug zu verzinsen. Für Eintritt von Zahlungsverzug ist regelmäßig eine Mahnung durch den Insolvenzverwalter erforderlich. Früher hatten die in Anspruch genommenen Gläubiger Zinsen bereits ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zu zahlen. Die neue Verzugszinsregelung gilt für alle, auch für bereits eröffnete Insolvenzverfahren.
Alle anderen Regelungen gelten für Insolvenzverfahren, die nach Inkrafttreten des Gesetzes eröffnet werden.
Für Gläubiger ist das eine gute Nachricht. Die Lieferanten, die ihren Abnehmern Zahlungserleichterungen, insbesondere Ratenzahlungen gewähren, sollen künftig die Sicherheit haben, dass dies für sich genommen noch keine Insolvenzanfechtung begründen kann. Dadurch wird das Risiko, erhaltene Zahlungen später zurückzahlen zu müssen, erheblich reduziert. Bargeschäfte sind weiterhin ein sicheres Mittel, um anfechtungssichere Geschäfte abzuwickeln.
Es bleibt abzuwarten, wie die neuen Regelungen in der Praxis umgesetzt werden und welche Gerichtsentscheidungen dazu ergehen werden.