Müller-Hof Newsletter – September 2022

art – AktuelleRechtsTipps

Insolvenzrecht: BGH erschwert die Vorsatzanfechtung im Insolvenzverfahren

Der BGH ändert seine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung zu Gunsten der Anfechtungsgegner. Die Neujustierung der BGH-Rechtsprechung hat im Jahr 2021 begonnen und wird durch einige Entscheidungen im Jahr 2022 konkretisiert.

Ein Insolvenzverwalter kann Zahlungen, die der Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens getätigt hat, zur Insolvenzmasse zurückverlangen. Anfechtbar ist unter anderem eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten 10 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen hat mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, sofern der Gläubiger zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der Gläubiger wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die Handlung die anderen Gläubiger benachteiligte.

Nach der Rechtsprechung des BGH wirkt eine einmal eingetretene Zahlungseinstellung fort, bis der Schuldner seine Zahlungen im Allgemeinen wieder aufnimmt. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH musste der Anfechtungsgegner, d.h. der Gläubiger, die allgemeine Wiederaufnahme der Zahlungen darlegen und beweisen. Damit wurde dem Anfechtungsgegner in vielen Fällen Unmögliches abverlangt. Denn der Anfechtungsgegner kennt in den meisten Fällen nur das Zahlungsverhalten des Schuldners ihm gegenüber. Der BGH hat nun in seinem Urteil vom 10.02.2022 (Az. IX ZR 148/19) entschieden, dass den Insolvenzverwalter eine „sekundäre Darlegungslast“ trifft, wenn der Anfechtungsgegner keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat. Der Insolvenzverwalter muss also selbst näher dazu vortragen.

Früher war die schleppende Zahlungsweise des Schuldners ein wichtiges Indiz für einen Vorsatz zur Gläubigerbenachteiligung. Mit dem Urteil vom 10.02.2022 hat der BGH festgestellt, dass das schleppende Zahlungsverhalten des Schuldners keine Indizwirkung hat, wenn der Schuldner bereits früher immer schleppend bezahlt hat. Im konkreten Fall hatte die Insolvenzschuldnerin seit jeher eine schlechte Zahlungsmoral und zahlte bereits früher nur auf regelmäßige Mahnungen hin.

Der BGH hat in einer weiteren Entscheidung festgestellt, dass der Insolvenzschuldner dann nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelt, wenn er die ihm gegenüber erhobene Forderung, welche zur Zahlungsunfähigkeit führt, aus Rechtsgründen für nicht fällig, verjährt oder insgesamt unberechtigt hält. Im konkreten Fall war die Rechtslage heftig umstritten. Diese wurde erst später zu Lasten des Schuldners entschieden, der erst daraufhin den Insolvenzantrag gestellt hat.

Im Allgemeinen hat der BGH die Hürden für die Vorsatzanfechtung gegenüber Gläubigern deutlich erhöht. Für Insolvenzverwalter wird es somit schwerer, von Gläubigern Zahlungen zurückzufordern. Dies ist von erheblicher Praxisrelevanz. Wer ein Schreiben vom Insolvenzverwalter erhält, mit welchem Rechtshandlungen angefochten und Rückzahlungen verlangt werden, sollte die Rechtslage im konkreten Fall überprüfen zu lassen.

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